[...]
"Das ist so scheisse, dass es schon wieder gut ist", war mal ein subversiver Gedanke. Es hielt dem bürgerlichen Bildungskanon à la Schwanitz das Unterschätzte der Popkultur entgegen. Die Methode lief leer, als der Markt sie sich zu Eigen machte, um das zu verkaufen, was man besser übersehen hätte. Guide Westerwelle hat das vergangenes Jahr ein wenig zu plump probiert. Er leaste sich ein gelbes Wohnmobil und klapperte damit Campingplätze ab. Er behauptete einfach, sein Gefährt sei Kult. War es aber nicht. Es war Wahlkampf. Spätestens da war die Vokabel "Kult" verbrannt. Bild macht es genauso. Wenn selbst die schmerzfreien Bild-Leute ahnen, dass, was sie da gerade verkaufen - neudeutsch: cross-promoten - nix taugt, dann schreiben sie "Kult" drauf. Effe liest Hitler-Tagebücher. Im Zweifel ist auch das Kult. Falls jemand findet, dass es gefährlich dumm ist, dann heisst es: "War nur Spass. War ironisch." War es nicht.
[...]
Wir brauchen eine Haltung. Kant hatte es gut, denn zwei Dinge erfüllten sein Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht: das moralische Gesetz in ihm und der bestirnte Himmel über ihm. Unser Gemüt erfüllt schon länger nichts mehr mit Bewunderung und Ehrfurcht. In uns ? Na ja, vielleicht war es ein Fehler, Religion abzuwählen. Über uns ? Verglimmen ein paar Kaltlichtspiegel-Halogen-Spots.
SZ-Magazin, No. 26 vom 27.6.2003
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen