Samstag, 1. Oktober 2011

SZ, Teil 3 (der_pessimist, 16.3.2003 19:20)

Hilfe, jetzt kommt auch noch der Frühling. Jetzt geht die Gute-Laune-Zeit wieder los, sogar die Biergärten haben schon offen.

Wie man das vermeiden kann, zeigt Juan Moreno in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung am 16. März 2003 (vollständiger Artikel hier):

... Wie viele Gründe gibt es, um die nächste Zeit wach zu bleiben, und wie viele, um das Bett nicht zu verlassen?

Wenn es stimmt, dass die größte Phobie des Menschen nicht die Angst vor Krieg, Arbeitslosigkeit oder schlechter Gesundheit ist, sondern die Angst, etwas zu verpassen, dann ist das die entscheidende Frage. Was verpasst jemand, der die nächsten fünf oder sechs Monate schläft? Was entgeht ihm? Die Übermacht des FC Bayern in der Bundesliga? Der zweistellige Dax? Die Verwandlung der irakischen Außenpolitik in amerikanische Industriepolitik? Der Gleichstand zwischen Arbeitslosenzahl und SPD-Wählern? Die Daniel-Küblböck-Tournee? Der erste Absturz eines Flugzeugs, in dem man für fünf Euro durch Deutschland fliegen kann?

Nichts, man verpasst nichts in den nächsten Monaten.

Nicht mal eine Welt- oder Europameisterschaft im Fußball, die sonst den Sommer rettet. Wer die nächsten Monate nicht da ist, weil er schläft, erspart sich lediglich Dinge, die er nicht verstehen, nicht beeinflussen und nicht verhindern kann. Der Ruhende nimmt nicht wahr, der Ruhende nimmt nicht hin, er protestiert leise. Der schnarchende Widerstand, der nicht stiller und friedlicher sein könnte. Die einzige zeitgemäße Friedensbewegung ist das leise Auf und Ab eines schlafenden Körpers. Diese Haltung mag man als konfliktscheu bezeichnen, als radikalfatalistisch. Nur, verkehrt ist sie nicht.
Dies ist eine negative, pessimistische Sicht auf die Welt? Mag sein.

Schopenhauer, der seine Pudel siezte und die Kellner in seinem Stammlokal in Frankfurt behandelte wie Jack Nicholson Helen Hunt in dem Film „Besser geht’s nicht“ , Schopenhauer hat große Sätze gesagt: „Man kann auch unser Leben auffassen als eine unnützerweise störende Episode in der seligen Ruhe des Nichts.“ Das ist Pessimismus. Schopenhauer hätte eine Frühgeburt als Beweis für die Ignoranz des Babys gedeutet. Sehnsucht nach Glück hielt er für menschlich, demnach für illusorisch und dumm.

Verweigerung durch Schlaf ist etwas ganz anderes. Ein Selbstmörder ist ein konsequenter Pessimist. Aber jemand, der einige Monate schläft, weil gerade alles zu viel ist, weil Schlaf das Einzige ist, was bleibt, tut das aus Hoffnung heraus. Er ist Realist und Träumer, ein mutiger und kluger Eskapist.

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