Von mir aus
von Juan Moreno
aus der SZ vom 6.12.2003:
Manchmal frage ich mich, was aus dem schönen Wort Party geworden ist. Früher hatte es etwas Mystisches, etwas Verheißungsvolles, wenn jemand sagte, Du, am Wochenende mache ich eine Party. Das hatte eine Bedeutung. Dieser Satz war ein Glücksversprechen. Es würde nicht genug zu trinken geben, die Anlage würde irgendwann kaputt gehen, und mehr als Blues-Tanzen und ein wenig Fummeln würde nicht drin sein – dennoch, man freute sich darauf, auf die Erdnuss-Flips, auf das Blues-Tanzen, auf den Partykeller. Es war wunderbar.
Ich vermisse diese Zeit, sogar diese Keller. Diese Räume, die alle ein wenig wie Swingerclubs aussahen, die Polstergarnituren aus braunem Cord, die Paneele aus Eichenimitat, die Konzertposter von Slade , und die Diskokugel, die sich noch nie gedreht hatte. Ein Ort der Hoffnung. Man würde ein Mädchen küssen, und falls nicht, würde man wenigstens Bier trinken und rauchen, und sich und seinen Kumpels einreden, dass es nichts Besseres gibt, als Bier zu trinken und Zigaretten zu rauchen. Glaub’ mir, Kippen und Bier sind besser als die Weiber, würde man sagen, und alle würden nicken, und man käme sich vor wie der erwachsenste 13-Jährige Deutschlands. Das Wort Party hatte eine Bedeutung.
Das ist anders geworden. Letzte Woche bekam ich einen Brief, der mir das sehr klar gemacht hat. Ich bekam einen Brief, in dem stand: Hallo mein Bester, hiermit lade ich dich zu meinem Geburtstag ein. Die Party beginnt am Sonntag um 14 Uhr . Unterschrieben war er mit dem Namen des zweijährigen Sohnes eines befreundeten Pärchens.
Mich hatte ein Kleinkind zu einer Party eingeladen. Ich weiß, dass Menschen, die Kinder bekommen, sich verändern. Plötzlich kaufen sie sich Autos, in deren Kofferraum eine Elchkuh passt, sie sagen Sätze, in denen Dinge wie Muttermund, Blasensprung und Warzenhof vorkommen. Und sie rufen nicht mehr an. Das ist in Ordnung. Wahrscheinlich werde ich genau so sein. Auch ich werde meine alten Single-Freunde einladen, und auch ich werde nicht wissen, ob deshalb, weil ich sie mag, oder weil sonst ein Stuhl am Geburtstagstisch unbesetzt bleibt, was sich auf den Fotos schlecht macht. Dennoch glaube ich nicht, dass ich dem Wort Party mit mehr Ehrfurcht begegnen werde.
Kinder haben auf einer Party nichts zu suchen. Für die meisten Dinge gibt es Regeln, so auch für Partys. Früher vermieden es kluge Eltern, während einer Party in den Partykeller zu kommen. Zu meiner Zeit gab es zwar wenige kluge Eltern, darum musste man mehrmals am Abend die Kippen wegwerfen, das Bier verstecken und die Hand aus der Bluse der Gastgeberin nehmen. Aber das muss nicht bedeuten, dass unsere Generation die gleichen Fehler machen muss.
Mir ist es egal, was Eltern mit ihren Kindern machen, wenn sie mich zu einer Party einladen. Sollen sie Michael Schanze anrufen, ist mir recht. Ich verlange einfach, dass man bestimmten Traditionen Respekt entgegenbringt. Ich möchte die Hoffnung nicht verlieren, dass ich von einer Party zurückkomme, nach Bier, nach Rauch und nach Frauenparfum rieche – und nicht nach gebratenen Fischstäbchen .
Oder, anders formuliert: Ich möchte nicht alt werden. Nicht jetzt.
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